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Podumsdiskussion: Kirche der Zukunft

Das Interesse war groß am Podiumsgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Synodale Wegmarken“ am 6. Oktober im großen Saal des Martinushauses. Über 80 Gäste konnte Rektorin Dr. Ursula Silber zur von den beiden Erwachsenenbildungseinrichtungen Martinusforum e.V. und dem Forum Schmerlenbach e.V. ausgerichteten Veranstaltung begrüßen. Auf dem Podium setzten sich Sr. Katharina Ganz OSF aus Würzburg, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und der Neutestamentler Prof. em. Martin Ebner aus Schweinfurt mit Fragen auseinander, die auch beim Dialogprozess „Synodaler Weg“ eine wichtige Rolle spielen. Moderiert wurde das Gespräch vom Chefredakteur der Lokalzeitung Main-Echo Martin Schwarzkopf.  

„Wie wollen wir als Kirche in Zukunft sein?“, diese Frage hatte Silber in ihrer Begrüßung dem Gespräch voran gestellt. Dazu konnte Bischof Kohlgraf und Schwester Ganz frische Eindrücke von der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt einbringen, die am Wochenende zuvor getagt hatte. Kohlgraf ist dort Mitglied der Arbeitsgruppe „Priesterliche Existenz heute“ und Ganz arbeitet als Beraterin in der Gruppe „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ mit.  Beide bestätigten eine offene, wenn auch an manchen Punkten kontroverse Gesprächskultur. Ganz nannte als eine Besonderheit dieses Treffens, dass man spüre, dass alle Delegierten von einem gemeinsamen Glauben getragen sind. „Mir hat die konstruktive Debattenkultur, dass wertschätzende Miteinander und das Gefühl, dass wir als Christen miteinander unsere Kirche gestalten wollen, unglaublich viel Mut gemacht“, so die Generaloberin der Oberzeller Schwestern.

Ebner gab von außen seinen Eindruck wieder, dass in Frankfurt ein Paradigmenwechsel stattgefunden hätte. Für ihn deutete sich dort ein Bruch mit der bisherigen Priesterzentrierung an, die Trennung von Weiheamt und Leitungsamt, die Öffnung der Leitung von Pfarreien für Nicht-Priester und einiges mehr. Auch die demokratische Struktur der Versammlung ist in seinen Augen ein deutliches Zeichen. „Es wurde klar: Auch Bischöfe haben unterschiedliche Meinungen, geben Gegenrede und haben bei der Abstimmung doch nur eine Stimme, wie alle anderen Delegierten auch“, so Ebner. Für den Theologen ist das nicht Anpassung an den Zeitgeist sondern ein Zeichen der Zeit. Mit einem Blick zurück auf die ersten Christen machte er deutlich, dass deren Identität gerade darin bestand, dass es Rangunterschiede nicht gab. Die hätten sich erst im Laufe der Zeit entwickelt, sozusagen als Anpassung an den damaligen Zeitgeist im römischen Imperium. „Wer das Neue Testament für die Begründung der gegenwärtigen Verfassung der katholischen Kirche heranziehen will, müsste dieses Konzept übernehmen, das heißt ein Update vornehmen zur Anpassung an das in der Kultur herrschende Mainstream-Modell“. Das hieße dann laut Ebner aktuell für unsere westliche Kultur: demokratische Standards, Entscheidung durch Abstimmung, Instanzen der Machtkontrolle und Gleichstellung von Mann und Frau.

In seinem Statement machte der Mainzer Bischof zunächst noch einmal klar, dass die Missbrauchsstudie Hintergrund der Beratungen beim Synodalen Weg ist und natürlich auch bei den Gesprächen über Priesterliche Lebensformen in seiner Arbeitsgruppe eine entscheidende Rolle spielt. „Viele Priester erleben zur Zeit, dass ihre Lebensform fundamental in Frage gestellt ist“, so Kohlgraf.  In den Gesprächen würde danach gefragt, wie Menschen als Priester heute glaubwürdig in der Nachfolge Christi leben können und das gehe weit über die Diskussion um das Zölibat hinaus. „Es muss deutlich werden, dass der Priester im Gesamt des Volkes Gottes eine dienende Funktion hat und das er alle Gläubigen befähigen soll, ihr spezifisches Priestersein zu leben“, so Kohlgraf. Die Geweihten gäben nach seinen Worten in den Sakramenten weiter, was Christus dem Volk Gottes zukommen lässt: die Vergebung und das Brot des Lebens. Während Ebner in Frage stellte, dass diese Aufgabe nur von Zölibatär lebenden Männern geleistet werden kann, wies Ganz darauf hin, dass mit den aktuellen Zulassungsbedingungen zum Amt den Gläubigen  durch den Priestermangel auch der Zugang zu den Sakramenten verweigert wird. „Wir beschneiden uns als Kirche, wenn wir nicht den hauptamtlichen Laien die Möglichkeit geben, die Sakramente zu spenden“, so Ganz.

Für Bischof Kohlgraf braucht es das Weiheamt aber auch deshalb, weil der Priester bei seinem sakramentalen Dienst nicht im Volk Gottes steht sondern ein Gegenüber ist. So solle verdeutlicht werden, dass hier etwas dem Menschen unverfügbares geschenkt wird. Doch er sieht durchaus eine Gefahr darin, wenn man als Priester diese Funktion des Amtes auf das ganze Leben bezieht. „95% meines alltäglichen Lebens sind normale menschliche Vollzüge, ich laufe ja nicht den ganzen Tag mit der Mitra herum“, sagte der Mainzer Oberhirte und führte weiter aus: „Wenn ich in jedem Augenblick meines Daseins Repräsentant Christi wäre, dann rücke ich plötzlich in eine Sonderwelt und bin in einer Rolle, in der ich nicht mehr angreifbar und hinterfragbar bin“. Es gäbe allerdings lehramtliche Papiere, die das Priestersein genau so interpretieren, doch würde dieses Verständnis zu einem Problem beim Umgang mit den Missbrauchsfällen führen. „In was für eine Rolle sind Priester gekommen, dass sie nicht mehr zu kritisieren und zu hinterfragen sind?“, fragte Kohlgraf.

Sr. Katharina Ganz gab in ihrem Statement auch einen kurzen Einblick in ihre Biografie. Als eine von Kindheit an engagierte Katholikin, die dann Theologie und Sozialpädagogik studierte, wurde ihr bei der Priesterweihe einiger benediktinischer Kurskollegen klar: „In unserer Kirche herrscht Geschlechterdiskriminierung, denn niemals hätte mich damals gefragt, ob ich auch eine Berufung zur Priesterin habe“. Im Frauenforum des Synodalen Wegs sei als Zielperspektive festgehalten worden, dass die Beratung einer zunehmenden Geschlechtergerechtigkeit der Kirche dienen sollen.  Die Zulassung zu Ämter und Dienste sollten nach den Kriterien „Kompetenzen, Eignung und Qualifikation“ geschehen. Für Ganz geht es aktuell aber auch ganz grundsätzlich um ein Überwinden des Ständedenkens. „Wir haben meiner Meinung nach theologisch noch zu wenig eingeholt, was das allgemeine Priestertum aller Gläubigen bedeutet“, so die Ordensschwester.      

Die Frage der Weihe von Frauen spiele laut Kohlgraf auch in der Arbeitsgruppe „Priesterliche Existenz“ eine Rolle. Das darüber Nachdenken dürfe aus seiner Sicht aber nicht nach dem Motto laufen, wir müssen einen Mangel decken oder wir müssen barmherzig zu den Frauen sein, sondern es brauche dafür eine theologische Notwendigkeit. „Da merke ich, dass traditionelle Begründungen tatsächlich nicht mehr überzeugen“, so Kohlgraf. Er spürt insgesamt den Auftrag, nicht nur alte Floskeln zu wiederholen, warum es den Priester braucht, sondern überzeugend zu begründen, warum es in der Kirche überhaupt einen Sakramentendienst gibt. 

Der Bischof verwies darauf, dass diese Themen eine weltkirchliche Diskussion brauchen, auch um deutlich zu machen, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Aber Ebner macht beim Synodalen Weg gerade das Sorgen. Er fragte: „Werden die Ergebnisse des Dialogs mit dem Verweises auf einen deutschen Sonderweg am Ende nicht umgesetzt?“. Außerdem sieht er das Problem, dass es auch in Deutschland Widerstand gegen manche Ergebnisse geben wird, vom Kirchenvolk aber auch von manchen Bischöfen. Ganz verwies auf eine mögliche andere Denkweise: „Ist Kirche eine Einbahnstraße, in der nur die Weltkirche Impulse für die Ortskirche gibt oder sollte es nicht auch möglich sein, Dinge, die für unseren Kulturkreis vor Ort möglich sind, auch für das kirchliche Leben durchzuspielen und so einen Impuls von der Ortskirche in die Weltkirche zu geben?“.

Sowohl die Diskussion auf dem Podium als auch der Austausch mit den Teilnehmern fand in einer engagierten, teils kontroversen  und trotzdem wohlwollenden Atmosphäre statt. Beim Austausch mit den Teilnehmern ging es in einigen Beispielen noch einmal darum, dass die katholische Kirche nur aus der Krise kommen kann, wenn sie es schafft, wieder Glaubwürdig zu werden. Dem stehen Beispiele von Machtmissbrauch, von der Intransparenz von Entscheidungen und von der als viel zu langsam empfundene Reaktion auf gesellschaftlichen Veränderungen entgegen. In ihrem Schlussfazit war sich Ganz aber sicher, dass Veränderungen nicht mehr aufzuhalten sind. Ein nicht hören wollen durch Rom würde in ihren Augen im schlimmsten Fall zu pastoralem Ungehorsam führen. Ebner befürchtet für diesen Fall auch eine noch größere Austrittswelle, die dazu führen könnte, dass dann eine kleine Gruppe romtreuer Christen einer größere Gruppe gegenübersteht, die das Christentum losgelöst von Rom in kleinen Gemeinschaften lebt. Für Kohlgraf liegen die entscheidenden die Themen auf dem Tisch und er baut darauf, dass der jetzt gefundene Stil des Miteinanders auch nach dem Abschluss des Synodalen Wegs weiterlebt. Allerdings äußerte er die Sorge, dass zu viele den Weg nur dann als erfolgreich sehen, wenn sich genau ihre Idee von Kirche durchsetzt. Er appellierte: „Es geht um das Miteinander und aufeinander hören.“.